Traditionelle vs. Organisationsstrukturen im Vertrieb - welche Kompetenzen und Strukturen braucht es in digitalen Zeiten?
Das digitale Zeitalter erfordert eine flexible und agile Organisation und Mitarbeiter, die „digital-bereit“ sind, um mit den sich schnell ändernden Umständen zurechtzukommen.
Dabei geht es nicht nur darum, mit der Technologie vertraut zu sein und digitale Tools nutzen zu können, sondern vor allem um das Verständnis über die technologischen Auswirkungen, sowohl auf das eigene Geschäft als auch auf das von Kunden und die Reaktion darauf.
Die moderne Vertriebsorganisation benötigt neue Kompetenzen und zeitgemäße Strukturen, um unter den digitalen Bedienungen unserer Zeit wirksam Leistungen erbringen zu können.
Somit ist das Überdenken und Hinterfragen von bestehenden Organisationsstrukturen ein wichtiger Bestandteil der Vertriebstransformation. Denn Vertriebsstrukturen sind vorwiegend organisch gewachsen und können nur bedingt auf die Anforderungen moderner Kunden eingehen.
Traditionell organisierte Strukturen haben häufig Schwierigkeiten, agil und flexibel auf die Marktanforderungen zu reagieren.
Die verbreitetsten (traditionellen) Strukturmodelle von Vertriebsorganisationen:
Geografisch/territorial: Vertriebsressourcen werden unterschiedlichen geografischen Territorien/Regionen zugeordnet.
Vertikal/segmentiert: Vertriebsstrukturen werden anhand Produkt-Anwendungsbereichen und Branchen organisiert: Pharma, Produktion, Enterprise, Retail etc.
Produkt-/fachspezifisch: Unterschiedliche Teams werden für spezifische Produkte mit speziellen Fachkenntnissen gebildet.
Funktions-/tätigkeitsorientiert: Die Organisation wird nach Vertriebstätigkeiten organisiert: Business Development, Key Account Management, Innendienst, Außendienst oder Pre-Sales, Sales und After-Sales. Auch die Hunter-Farmer Organisation würde darunterfallen. Bei dieser Struktur wird der Fokus jeweils auf die Kundengewinnung und -betreuung gelegt: Personen, die aktiv Kunden akquirieren (Hunter) und Personen, die bestehende Kunden betreuen (Farmer).
Kunden-/größenorientiert: Hier werden Kunden je nach Größe unterschiedlichen Vertriebsrollen zugeteilt: Small, Medium und Key Accounts.
Zudem gibt es auch hybride Formen, die eine Kombination von zwei oder mehreren Strukturen darstellen.
Auch wenn diese traditionellen Modelle heutzutage den überwiegenden Teil von Vertriebsorganisationen strukturiert, spiegeln sie die Realität unserer Zeit nicht mehr wider, denn es sind inzwischen viel mehr Ebenen einer Vertriebsorganisation zu berücksichtigen.
Elemente moderner Vertriebsstrukturen
Der Aufbau von State-of-the-Art Vertriebsstrukturen bezieht sich nicht nur auf die Segmentierung des Vertriebsteams in spezialisierte Gruppen oder regionale Aufteilungen, sondern benötigt die Berücksichtigung von mehreren korrelierenden Ebenen, um eine hohe Leistung der Organisation unter digitalen Marktbedingungen zu ermöglichen.
Revenue Level / Umsatz-Ebene
Sales channels management, analog & digital: Verwaltung aller Verkaufskanäle, z.B. Distribution, Retail, Partnervertrieb, direkt Vertrieb, E-Commerce etc.
Sales territory, customer & product segments management: Verwaltung aller Vertriebsgebiete, Zielmärkte und Zielgruppen, z.B. geografisch, Branchen- & Marktsegmente, Zielgruppen, Produktgruppen etc.
Sales activities management, offline & online: Verwaltung aller Vertriebsaktivitäten, kanalübergreifend, z.B. Lead-Generierung, Lead-Qualifizierung, Preis-Management, Business Development, Customer Relationsship Management, Strategischer Vertrieb etc.
Customer-Ebene/Kunden-Ebene
Customer experience management: Verbesserung der Kundenerfahrung, Gestaltung der Customer-Journey, Steigerung der Kundenzufriedenheit, Verbesserung der Benutzerfreundlichkeit für Kundeninteraktionen, Steigerung der Kundenbindung, Personalisierung der Kundenerfahrung etc.
Customer decision enabling & solution consulting: Unterstützung der Kunden in ihrem Entscheidungsprozess, Erarbeitung von kundenspezifischen Lösungen, Beratung, Lösungskonzepte etc.
Customer value creation & strategic advice: Schaffung vom Kundenmehrwert, Erarbeitung von Nutzenkonzepten, Umwandlung von Produktfunktionalitäten in Kundennutzen, strategische Beratung und Vertrieb etc.
Knowhow Level/Know-how-Ebene
Knowledge management: Beschaffung und Verteilung des notwendigen Wissens innerhalb der Organisation auf allen relevanten Ebenen: Kunde, Markt, Wettbewerb, Produkte etc.
Sales enabling: Die Organisation befähigen, ihre Ziele zu erreichen, relevante Informationen für alle Phasen des Vertriebszyklus beschaffen, Unterlagen, Präsentationen, Werkzeuge. Ausbau von Kompetenzen und Fähigkeiten, Training, Coaching etc.
Trend scouting & market observation: Marktbeobachtung und Analyse, Kundenbedürfnisse und -erwartungen identifizieren und überwachen, Trends erkennen und evaluieren, Wettbewerb-Beobachtung etc.
Web Level/Web-Ebene
Digital Presence & Media Management: Aufbau und Aktualisierung der digitalen Vertriebspräsenz auf allen relevanten Plattformen und Kanälen. Hier geht es primär um die Präsenz des Vertriebs (der Mitarbeiter), aber darunter können auch die Webseite, Verwaltung digitaler Medien etc. fallen, die in der Regel im Marketing angesiedelt sind.
Digital activities & content management: Verwaltung aller digitalen und online Aktivitäten und Inhalte: Content-Kampagnen, Social-Media-Aktivitäten, Vertriebskampagnen etc. Auch hier geht es primär um den Vertriebsbeitrag an klassischen Marketingaktivitäten.
Sales communication management: Verwaltung der Kommunikation über alle Vertriebskanäle, unter anderem auch Website Chats, Chatbots, virtuelle Assistenten, Messenger, Social Media etc.
Technology Level/Technologie-Ebene
Sales data management & analytics: Datenverwaltung und -analysen, Datenbanken verwalten, Datenschutz-Anforderungen erfüllen (DSGVO), Reporting, Analysen des Kundenverhaltens, Customer Analytics etc.
Automated & digital process supervision: Überwachung der digitalen und automatisierten Prozesse im Vertrieb, z.B. EDI-Anbindungen, Onlineshops, Bots Performance, Leistung & KPI Überwachung etc.
Digital systems & tools support: Aufrechterhaltung aller Vertriebssysteme, die über die Verantwortung und die Kompetenz der IT-Abteilung hinausgehen, wie CRM, Configure Price Quote Tools, Business Intelligence, Produkt-Konfiguratoren, Dynamic-Pricing-Systeme, Onlineshops etc.
Die jeweiligen Ebenen werden sinngemäß von der Geschäftsspezifik definiert und in der Realität in einzelnen Rollen integriert. Oder auch umgekehrt, innerhalb der einzelnen Ebenen werden mehrere Rollen notwendig sein.
Diese Rollen unterscheiden sich zum Teil grundlegend von den uns bekannten Vertriebsrollen, worauf wir beim Design einer Vertriebsorganisation achten müssen. Dabei gibt es teils starke Überschneidungen mit dem Marketingbereich, denn je nach Geschäftsfeld lassen sie sich einfach nicht mehr klar trennen.
Dieser Artikel ist ein Auszug aus meinem Buch "Digitale Transformation im Vertrieb".
Dieses Buch ist ein praktischer Wegweiser zur digitalen Transformation von Vertriebsorganisationen.
In 21 Schritten vermittelt es einen Überblick über den State of the Art von Technologien und digitalen Vertriebstools und schafft ein Verständnis dafür, worum es bei der Digitalisierung des Vertriebs wirklich geht.